Kirchenmusikerin aus Leidenschaft

Pressemitteilung Lilienthal, 01. September 2022

Seit 25 Jahren leitet Renate Meyhöfer-Bratschke die Kirchenchöre in Lilienthal und spielt die Orgel

Lilienthal. Renate Meyhöfer-Bratschke hat viele verschiedene Tasten unter den Fingern: in der Truper Kapelle, in der Kirche in St. Jürgen, wo eine kleinere Variante der Orgel aus der Klosterkirche steht, sowie in den weiteren Außenstellen der evangelischen Kirchengemeinde Lilienthal wie etwa Brünings Hof in Seebergen. Dort bedient sie ein E-Piano. Am liebsten ist der
Kirchenmusikerin aber die Orgel in der Klosterkirche, die sie seit mittlerweile 25 Jahren spielt. Die habe nicht nur einen wunderbaren Klang, sondern auch „ganz wunderbar romantische Farben“, sagt Meyhöfer-Bratschke. Ihr zufolge ist es das größte Instrument der Firma Johann Heinrich Röver und
Söhne und im Jahr 1884 mit Pferd und Wagen aus Stade nach Lilienthal gekommen. Diese Orgel habe es ihr von Anfang an angetan, sagt die 60-Jährige.

Von Kattenturm nach Lilienthal

Renate Meyhöfer-Bratschke kommt gebürtig aus Kassel. Sie habe schon immer Klavier gespielt erzählt sie. Mit 13 Jahren setzte sie sich erstmals an die Orgel. „Man braucht für dieses Instrument eine gewisse Größe, damit man mit den Füßen an die Pedale kommt.“ In Freiburg und Hannover studierte sie Kirchenmusik und absolvierte im Anschluss ein Assistenzjahr an der norddeutschen Orgelakademie in Ostfriesland. Ihre erste Anstellung als Kirchenmusikerin trat sie in der Nähe von Freiburg an, 1994 wechselte sie nach Bremen in die Kirchengemeinde Kattenturm. Seit dem 1. September 1997 ist sie Kirchenmusikerin in Lilienthal – somit steht ein Jubiläum vor der Tür. „Die Orgel hat mich gelockt, es ist so ein schönes historisches Instrument“, sagt sie. Aber auch die Kirche mit ihrer hervorragenden Akustik habe ihr gleich gut gefallen und zudem die Aussicht auf gute Arbeitsmöglichkeiten.

Die Kirchenmusikerin ist nicht nur zuständig für die Orgelbegleitung bei Gottesdiensten, Trauerfeiern oder Hochzeiten. In ihren Aufgabenbereich fällt auch das Singen mit dem Ziel, Programme für Konzerte zu erarbeiten wie etwa die Reihe „Musik in der Kirche“. Neben dem Bachchor gibt es auch den Kammerchor, die Weitersinggruppe, den Gospelchor sowie die Spatzen-
, die Kinder- und die Jugendkantorei. „Seit vielen Jahren fange ich mit den Fünfjährigen an zu singen, die ältesten in der Weitersinggruppe sind 95, dazwischen ist jedes Alter abgedeckt“, berichtet die Kirchenmusikerin und Kantorin und stellt den Lilienthalern ein sehr gutes Zeugnis aus: „Diejenigen, die hierherkommen, um mit mir zu singen, die sind sehr begeisterungsfähig.“ Ebenso wisse das Publikum das Konzertangebot der Kirchengemeinde zu schätzen. Anfang September soll die Reihe „Musik in der Kirche“ wieder starten.

Der Kontakt zu Menschen aller Altersklassen mache für sie den Reiz ihres Berufs aus, sagt Renate Meyhöfer-Bratschke. „Dieses Gefühl, die Menschen mit dem gemeinsamen Singen zu erreichen und zu spüren, was ihnen die Musik gibt, ist toll. Musik ist ja auch etwas für die Seele.“ Ein Lieblingsstück hat sie indes nicht. „Jede Musik, die ich übe, wird ein Herzensstück. Aber natürlich
spiele ich gerne Bach“, sagt sie.
Den Wünschen der Angehörigen bei Trauerfeiern oder Hochzeiten versuche sie so weit wie möglich nachzukommen. „Es gibt nichts, was ich nicht spielen würde. Manchmal werden die verrücktesten Sachen gewünscht, ich habe auch schon mal ,Doktor Schiwago‘ auf einer Beerdigung gespielt“, berichtet die 60-Jährige. Oft seien es „emotionale Erinnerungen“ der Angehörigen, oft aber auch Unkenntnis. „Ich kann mir nichts wünschen, was ich nicht kenne“, sagt Meyhöfer-Bratschke. „Deshalb finde ich es gut, wenn ich aus meiner musikalischen Erfahrung Stücke vorschlagen kann von denen ich weiß, dass sie berühren. Man hat nach 25 Jahren Erfahrung, was passt.“

Viel Idealismus

Rund 230 Menschen waren es vor der Pandemie, die jede Woche zum Singen zu Renate Meyhöfer-Bratschke kamen, erzählt sie. „Das ist eine Arbeit, die man nur mit viel Enthusiasmus und aus Idealismus machen kann, das kann man nicht in einem Acht-Stunden-Tag packen“, sagt die Lilienthalerin, die auch freiberuflich unter anderem mit den Bremer Philharmonikern spielt. Vor allem die Schreibtischarbeit nehme viel Zeit in Anspruch. „Ohne meinen Mann wäre ich aufgeschmissen“, gibt sie zu. Er sei es, der Flyer für die Konzerte erstelle und die Werbung übernehme. Sei dann doch mal Zeit für Hobbys, lese sie gerne und verbringe viel Zeit in der Natur. „Sehr reduziert, wir zelten gerne in nördlichen Ländern wie Finnland, waren jetzt aber auch gerade im Schwarzwald“, berichtet sie.

Herausforderungen als Chance

Herausforderungen versucht die 60-Jährige als Chance zu sehen, etwa die, dass die Kirche immer mehr Austritte hinnehmen muss. „Man muss sich Formate überlegen. Das motiviert.“ Dazu gehöre auch, dass die Chöre ökumenisch seien. „Wir haben eine große Anzahl an katholischen Sängern in
unseren Reihen.“ Und viel passiere über die Kindergartenkinder, die wiederum Freunde mitbringen würden. „Eltern, die der Kirche schon den Rücken zugekehrt haben, kommen, weil sie ihre Kinder singen hören wollen und dadurch entsteht wieder Kontakt mit der Kirche.“ Es sei, wie so oft im Leben: „Die Qualität ist entscheidend. Wenn die geboten wird, kommen die Leute, ob Mitglied oder nicht.“