Roswitha Strube sagt, sie habe etwas "gegen Ausländerfeindlichkeit, Stammtischdenken und einfache Lösungen". Sorgen bereitet ihr ganz besonders, dass so viele junge Menschen empfänglich sind für populistische Parolen, wie eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie noch einmal bestätigt hat. Die 73-jährige Osterholz-Scharmbeckerin, die der Beruf einst nach Sambia, Dubai und in den damaligen Nordjemen geführt hatte, hat zwei Kinder und drei Enkel. "Politik war mir schon als Jugendliche wichtig", sagt sie. Durch einen Artikel im WESER-KURIER auf die Bremer "Omas gegen Rechts" aufmerksam geworden, entschied sich Strube spontan dazu, diese Aktivistinnen zu unterstützen und an den Mahnwachen vor dem Dom in der Hansestadt teilzunehmen. Da sei es für sie selbstverständlich, nun auch für die Kundgebung in ihrer Heimatstadt zu werben, zu der das "Bündnis für Demokratie OHZ" für Sonntag, 5. Mai, 13 Uhr, aufgerugen hat. Sie hoffe, dass sich noch mehr Osterholz-Scharmbeckerinnen den "Omas gegen Rechts" anschließen.
Auf dem Scharmbecker Marktplatz soll Haltung demonstriert und die Stimme "laut gegen Rechts" erhoben werden, so die Initiatoren. Sie identifizieren sich mit dem Programm des bundesweiten Bündnisses "Zusammen für Demokratie – im Bund, vor Ort, für alle", das von Gewerkschaften, den beiden großen christlichen Kirchen, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie von Kultur- und Sportverbänden getragen wird. Sie alle wollen sich vor Ort für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.
ERINNERUNG AN WICHTIGE TAGE IM MAI
Das Datum der Kundgebung sei bewusst gewählt worden, erklärt Jutta Rühlemann, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Osterholz-Scharmbeck, am Rande einer Gesprächsrunde, zu der sie sich mit dem Sprecher des "Bündnisses für Demokratie OHZ", Utz Weißenfels, dem Gewerkschaftler Eckhard Schlöbcke, Anke Beyer vom Friedensbündnis OHZ und Roswitha Strube verabredet hat. Man wolle mit dem Termin auf den bevorstehenden 8. Mai, dem Jahrestag der Beendigung der Nazi-Herrschaft in Deutschland hinweisen sowie auf den 23. Mai als den 75. Geburtstag des Grundgesetzes rekurrieren. "Demokratie fällt nicht vom Himmel, sondern gründet sich auf Haltung und die im Grundgesetz verbrieften Rechte", erklärt Rühlemann, die sich dem Bündnis als weitere Sprecherin zur Verfügung gestellt hat.
Die Kundgebung wird voraussichtlich eine Stunde dauern. Es werden nicht nur Teilnehmer aus Osterholz-Scharmbeck erwartet, sondern aus der gesamten Region sowie ganze Gruppen aus Ritterhude, Lilienthal und Hambergen. Zwischen den Reden soll mit musikalischen und anderen kulturellen Beiträgen unterhalten werden. Utz Weißenfels erinnert daran, dass das OHZ-Bündnis in der Phase der Corona-Beschränkungen gegründet wurde, "als die Montagsdemos von demokratiefeindlichen Corona-Leugnern unterwandert wurden".
Vor den Wahlen zum Europa-Parlament am 9. Juni und zu drei ostdeutschen Landtagen im September seien die Gefährdungen für die Demokratie noch einmal gewachsen, "wenn sich Rechtsradikale neuerdings sogar öffentlich mit ihrer Gesinnung brüsten dürfen". Eckhard Schlöbcke sieht die Grundrechte "schon jetzt erodieren", was beispielsweise "queeres Leben und das Asylrecht", die Klimakleber oder die Auflagen betreffe, unter denen Demonstrationen abgehalten werden: "Alle diese Beschränkungen werden nicht so schnell zurückgenommen werden", so seine Befürchtung,
ALARMIERENDE SIGNALE
In der gemeinsamen Erklärung des OHZ-Bündnisses wird auch an das sogenannte Potsdamer Treffen erinnert ("Masterplan zur Remigration") und an die Ermittlungen wegen Spionageverdachts gegen Beschäftige von AfD-Abgeordneten im Bundestag. Außerdem wird auf den nach wie vor bestehenden Einfluss des offiziell aufgelösten völkischen Höcke-Flügels auf die zweitstärkste Oppositionspartei im Bundestag verwiesen. Das alles seien Alarmsignale. Das OHZ-Bündnis will den Anfängen wehren. Im Positionspapier heißt es: "Täglich ereignen sich rechte Gewalttaten mit existenziellen Folgen für die Betroffenen. Menschen mit Behinderung erleben Ausgrenzung und Abwertung. Engagierte werden bedrängt und mit Morddrohungen konfrontiert."
Dabei soll das Grundgesetz soll Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung gewähren. Darauf wollen die Initiatoren bei der Kundgebung am 5. Mai pochen. Und sie gehen sie mit Zuversicht an. "Viele Menschen reagieren jetzt zum Glück sensibler, wenn Politiker populistische Krisenlösungen anbieten, welche die Bevölkerung spalten."